Zum Hauptinhalt springen

Freier Übersetzer oder angestellter Arbeitnehmer?

Arbeitsrecht

Freier Übersetzer oder angestellter Arbeitnehmer?

In Deutschland wie auch in Italien befinden sich viele Arbeitsverhältnisse im grauen Bereich zwischen Selbstständigkeit und Arbeitsverhältnis. Der sogenannte Scheinselbstständige ist für den Arbeitgeber ein nicht unerhebliches Risiko, da er rückwirkend vier Jahre lang für nicht aufgeführte Sozialversicherungsbeiträge haftet. Auch für den Arbeitnehmer ergeben sich Risiken, da er neben dem Arbeitgeber für nicht einbehaltene Lohnsteuer und für seinen Anteil der Sozialversicherungsbeiträge haftet. Ein Übersetzer kam täglich in ein Übersetzungsbüro. Er hatte dort ein eigenes Büro und einen eigenen Dienstrechner zur Verfügung. Ihm wurde ein „Betreuer“ zugeteilt, der ihn regelmäßig mit Übersetzungsaufträgen versorgte. Der Übersetzer wandte sich an das Arbeitsgericht und bat um Feststellung, dass er als Arbeitnehmer einzustufen sei. Der Übersetzer verlor die Klage, das Arbeitsgericht berief sich dabei auf ein entscheidendes Argument: Der Übersetzer wäre frei gewesen, die Anträge abzulehnen. Er war nicht verpflichtet, jede ihm vom „Betreuer“ vorgelegte Übersetzung auch durchzuführen. Hier wurde das Weisungsrecht des Arbeitgebers zum entscheidenden Kriterium (BAG, Urteil vom 21. Mai 2019, 9 AZR 295/18). Tröstend für den Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung des BAG vom 26.6.2019 (5 AZR 178/18). Danach kann der Arbeitgeber in dem Fall, dass ein Arbeitsverhältnis bei einem vermeintlich freien Mitarbeiter später festgestellt wird, die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger gewesen wäre als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar.