In Italien hatte bislang ein Beschuldigter, der dann angeklagt und schließlich freigesprochen wurde, keine Möglichkeit, sich vom Staat die Kosten für die Verteidigung erstatten zu lassen. Ein zu Unrecht Verfolgter erleidet neben dem psychischen Stress und dem Imageschaden auch einen erheblichen materiellen Schaden. Ein im Dezember 2020 verabschiedetes neues Gesetz (Art. 177 bis Codice Penale) schafft jetzt teilweise Abhilfe. Bei rechtskräftig freigesprochenen Angeklagten ist der Staat verpflichtet, auf Vorlage der entsprechenden Anwaltsrechnung, dem Angeklagten bis zu einem Höchstbetrag von 10.500 Euro der Kosten zu erstatten. Die Zahlung erfolgt in 3 Raten.
Bei Redaktionsschluss des Mandantenbriefs (8.6.2021) lag aber die Durchführungsverordnung noch nicht vor, sodass über erste Erfahrungen mit dem Gesetz nicht berichtet werden kann. Auch im Zivilverfahren ist Land in Sicht. Ein vor dem Oberlandesgericht zu 100 % obsiegende Kläger wollte sich nicht mit der üblichen Kostenentscheidung abfinden, nach der die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden. Die Kostenaufhebung ist in Italien unabhängig von dem Prozessausgang eine sehr beliebte Entscheidung, sie wird in der Regel mit der besonderen Schwierigkeit der Rechtsmaterie begründet und ist Ausdruck von Mitleid mit der Partei, die verloren hat. Sie hat ja schon genug Leid zu tragen.
Der Kläger, der in II. Instanz voll obsiegt hatte, hat dennoch den Kassationshof angerufen - und hat schließlich Recht bekommen (Kassationshof 14071/2021). The winner takes it all, auch den Erstattungsanspruch für seine Kosten.