Eine rechtlich interessante und praktisch sehr relevante Frage ist, ob Dritte aus einem Anwaltsvertrag, den sie nicht mit dem Rechtsanwalt geschlossen haben, gegen den Rechtsanwalt Ansprüche geltend machen können.
Eine Frau und ihre beiden Töchter erlitten einen schweren Verkehrsunfall. Die Frau beauftragte einen Rechtsanwalt, der alle Ansprüche mit der Versicherung ordnungsgemäß regelte. Jahre später hatten die Töchter Folgeschäden, die sie wegen der eingetretenen Verjährung nicht mehr gegen die Versicherung geltend machen konnten. Sie warfen dem Rechtsanwalt vor, dass er seinerzeit darauf hinweisen hätte müssen, dass die Töchter zur Vermeidung der Verjährung auch eigene Ansprüche hätten geltend machen mussten.
Der BGH (9.7.2020, IX ZR 289/19) hat anwaltsfreundlich festgestellt, dass der Anwaltsvertrag grundsätzlich ohne eine ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zugunsten Dritter nicht entfaltet. Die Entscheidung ist mit dem Fehlen der Voraussetzungen des von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Institut des Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter begründet. Hier fehlt es schon an der ersten Voraussetzung der „Leistungsnähe“. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Anwalt, der das Mandat eines Familienmitgliedes erhält, automatisch auch die Interessen der anderen Familienmitglieder wahrzunehmen hat.