Das Gericht, das eine Kontrollfunktion wahrzunehmen hat, muss bei der Bestimmung des gerechten Lohns gemäß Artikel 36 der Verfassung die Vermutung der Angemessenheit des tarifvertraglich festgelegten Lohns überwinden und konkret überprüfen, ob der Lohn nicht unter die für ein menschenwürdiges Leben erforderlichen Mindeststandards fällt. Die Arbeitnehmer haben ein Recht auf ein Leben, das nicht nur nicht arm, sondern sogar würdig ist. Die Vergütung sollte nicht nur zur Befriedigung bloßer Grundbedürfnisse, sondern auch zur Förderung immaterieller Güter wie kultureller, pädagogischer und sozialer Tätigkeiten dienen, wie es die Europäische Union in der Richtlinie 2022/2041 vorsieht.
Der Kassationsgerichtshof weist darauf hin, dass der Richter, wenn er sich mit einem Antrag eines Arbeitnehmers auf Anpassung des Entgelts befasst, verpflichtet ist, zunächst das im nationalen Tarifvertrag für die betreffende Kategorie festgelegte Entgelt und, falls dieses als unzureichend erachtet wird und damit de facto unwirksam ist, auch das in anderen Tarifverträgen in verwandten Branchen oder für ähnliche Aufgaben festgelegte Entgelt zu berücksichtigen. Diese Kontrollfunktion wird heute immer notwendiger, sowohl als Folge der Präsenz von Kollektivvereinigungen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) mit zweifelhafter Repräsentativität (Unterzeichner von so genannten Piratenverträgen) auf der Verhandlungsbühne, die auch die Zahl der Tarifverträge in die Höhe treibt (mehr als 946 für den privaten Sektor nach Angaben des Italienischen Wirtschafts- und Arbeitsrates CNEL), als auch wegen der hohen Inflation in den letzten Jahren.