I. Inhalt
Der Handelsvertretervertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter, bei dem sich der Handelsvertreter verpflichtet, für den Unternehmer ständig Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen und neue Kunden zu akquirieren. Im Gegenzug zahlt der Unternehmer dem Handelsvertreter eine vertraglich vereinbarte Provision.
Solche Verträge bedürfen nicht der Schriftform, sondern können auch mündlich oder stillschweigend vereinbart werden. Eine schriftliche Vereinbarung wird jedoch empfohlen. Die Vertragsdauer, sowie etwaige Kündigungsfristen können individuell schriftlich vereinbart werden. Gelten keine besonderen Fristen oder liegt keine Vereinbarung bezüglich der Vertragsdauer vor, so gilt der Vertrag unbefristet und kann mit der gesetzlichen ordentlichen Kündigungsfrist beendet werden (§ 89 HGB). Diese Kündigungsfrist richtet sich nach der Vertragsdauer und beträgt maximal sechs Monate zum jeweiligen Monatsende (§ 89 HGB). Bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund sind die vorliegenden Kündigungsfristen unbeachtlich.
II. Pflichten der Parteien
- Handelsvertreter
Der Handelsvertreter bleibt seinem Wesen nach selbstständig und kann seine Arbeitszeit eigenständig gestalten. Zwar muss er den Anweisungen des Unternehmens Folge tragen, jedoch nur insoweit diese seine Tätigkeit nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Weiter hat der Handelsvertreter die Pflicht, dem Unternehmer wichtige Informationen mitzuteilen, insbesondere über laufende Geschäftsvermittlungen sowie neue Geschäftsabschlüsse. Durch die sog. Mitwirkungspflicht kann der Handelsvertreter auch verpflichtet werden, regelmäßig Berichte oder Protokolle zu erstellen.
Der Handelsvertreter hat somit stets die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen und sich aktiv um den Abschluss und die Vermittlung von Geschäften zu bemühen. Der Handelsvertreter ist nicht auf einen Vermittlungsbereich beschränkt, sondern kann die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen vermitteln.
Abschließend trifft den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrages eine Verschwiegenheitspflicht. Nach Abschluss oder Kündigung des Handelsvertretervertrages ist der Vertreter dazu verpflichtet, Stillschweigen über die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Unternehmens zu bewahren. Hierfür muss er dem Unternehmen alle zur Verfügung gestellten Unterlagen, Materialien sowie Kundenlisten und kundenspezifische Informationen zurückzugeben. Das Kopieren sowie Einbehalten jeglicher Informationen, insbesondere von Kundenlisten ist untersagt.
Eine Ausnahme gilt hier jedoch für die sog. Kundenkartei, welche der Vertreter während seiner Tätigkeit eigenständig erstellt hat. Im Zweifel kann der Vertreter nicht verpflichtet werden, diese im Original oder in Kopie herauszugeben. Eine vertragliche Vereinbarung diesbezüglich schützt den Unternehmer jedoch in solchen Fällen.
2. Unternehmer
Der Unternehmer ist grundsätzlich dazu verpflichtet, dem Handelsvertreter für seine geleistete Tätigkeit eine Provision zu zahlen. Diese bemisst sich nach individuellen vertraglichen Vereinbarungen. Auch diese sollten vorzugsweise in Schriftform erfolgen, da diese oft Streitgegenstand der Parteien sein können. Der Unternehmer ist jedoch nicht verpflichtet, das vom Handelsvertreter vermittelte Geschäft abzuschließen. Kommt es jedoch zum Vertragsschluss, ist die Provision sofort zu entrichten, spätestens aber bis zum Ende des Folgemonats. Der Abrechnungszeitraum kann somit auf maximal drei Monate ausgedehnt werden, wenn eine vertragliche Vereinbarung dies vorsieht.
Weiter muss der Unternehmer dem Handelsvertreter alle Unterlagen zur Verfügung stellen, welche dieser zur Ausübung einer erfolgreichen Tätigkeit benötigt. Diese Unterlagen sind regelmäßig: Produktpalette, Preise, Lieferbedingungen sowie laufende und bereits abgeschlossene Geschäfte. Auch trifft den Unternehmer die Pflicht, jegliche Änderungen bezüglich dieser Unterlagen dem Handelsvertreter mitzuteilen und Preislisten, Muster, Zeichnungen wie auch Werbematerial direkt an den Handelsvertreter zu übergeben.
3. Provisionsregelungen und Provisionsansprüche
Wie bereits erwähnt, wird der Handelsvertreter durch eine vertraglich vereinbarte Provision vergütet. Höhe und Auszahlungsvoraussetzungen bestimmten sich individuell und sind auch branchenabhängig. Die Provision wird in der Regel beim unmittelbaren Abschluss des Geschäfts durch den Handelsvertreter ausgezahlt. Ausnahmen ergeben sich bei dem Bezirksvertreter. Auch für Nachbestellungen durch Kunden des Unternehmers, die der Handelsvertreter für das Unternehmen geworben hat, erhält er eine Provision. Der Anspruch des Vertreters auf Zahlung der Provision besteht bereits bei Lieferung einer Ware oder ab dem vertraglich geregelten Zeitpunkt.
Der Provisionsanspruch wird bereits bei Lieferung der Ware oder bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung bei Abschluss des Vertrages mit dem Kunden, fällig. Vorschussansprüche können diesbezüglich vertragliche vereinbart und dürfen nicht ausgeschlossen werden.
Für die Berechnung der Provision wird auf folgende Hinweise verwiesen:
- Nachlässe bei Barzahlung mindern nicht die Provision.
- Nebenkosten für Fracht, Porto, Verpackung, Zoll, Steuern, Versicherungskosten etc. können nur bei vertraglicher Vereinbarung abgezogen werden.
- Rabatte mindern die Provision, wenn sie von vorneherein zugesagt wurden.
- Nachträgliche Nachlässe reduzieren die Provision nicht.
- Mehrwertsteuer mindert die Provision nicht, auch wenn sie auf der Rechnung gesondert ausgewiesen ist.
- Mangels besonderer Vereinbarung ist die Provision daher aus dem Mehrwertsteuerbetrag zu bezahlen.
Der Unternehmer ist verpflichtet, die Abrechnung schriftlich, verständlich und übersichtlich zu erstellen. Diese muss gemäß § 87c Abs. I HGB innerhalb eines Monats erfolgen und darf auf höchstens drei Monate verlängert werden. Gesetzlich stehen dem Handelsvertreter starke Rechte zu, wenn die Provisionsabrechnung verspätet, unvollständig oder unübersichtlich ist.
4. Umsatzziele
Die vertragliche Vereinbarung eines Umsatzziels ist zulässig und wird oft als Vertragspflicht vereinbart, mit der Folge, dass der Unternehmer bei Nichterreichen des Umsatzziels durch den Handelsvertreter, diesen aufgrund wichtigen Grundes, außerordentlich fristlos kündigen kann. Es stellt sich somit die Frage, in welchen konkreten Fällen das Umsatzziel als nicht erfüllt gilt. Der Unternehmer kann sich nicht immer und ohne weiteres auf die Umsatzzielvereinbarung und das damit verbundene Kündigungsrecht berufen. Hintergrund ist, dass die Erreichung der Zielvereinbarung häufig von Faktoren abhängt, die der Vertreter nicht beeinflussen kann, wie etwa die Qualität der Ware oder die Preispolitik. Diese unterliegen dem Verantwortungsbereich des Unternehmers.
Der Handelsvertreter hat also keinen unmittelbaren Einfluss auf die wertbildenden Faktoren, sodass es ihm nicht angelastet werden darf , wenn dadurch ein vereinbartes Umsatzziel nicht erreicht werden kann. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters verfällt somit nur dann, wenn er das Umsatzziel folglich schuldhaft nicht erreicht hat.
Beide Parteien sollten sorgfältig abwägen, ob vertraglich vereinbarte Umsatzziele sinnvoll sind. Insbesondere Handelsvertreter sollten aufgrund des rechtlichen Risikos vorsorglich von solchen Vereinbarungen absehen, aber auch für Unternehmer kann es zu prozessualen Konflikten kommen, und zwar wenn die Frage der Vertretungspflicht zu klären ist.
5. Wettbewerbsverbot
Ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot darf den Handelsvertreter in seiner Betätigungsfreiheit nur insoweit beschränken, wie ein berechtigtes Interesse des Unternehmers hieran besteht. Bei Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot kann der Handelsvertreter mit einer Vertragsstrafe belegt werden. Diese muss jedoch vom Verschulden des Vertreters abhängig gemacht werden, ansonsten ist sie unzulässig gemäß. § 307 BGB.
Ein Handelsvertreter kann prinzipiell mehrere Unternehmen gleichzeitig vertreten. Hierbei muss allein darauf geachtet werden, dass die Unternehmen nicht miteinander im Wettbewerb stehen, selbst wenn im Vertrag kein ausdrückliches Wettbewerbsverbot vorhanden ist. Dies gilt auch für Mehrfirmenvertreter. Der Handelsvertreter darf Produkte anderer Unternehmen nur dann vertreten und vermitteln, wenn diese nicht mit den Produkten des bereits vertretenen Unternehmens konkurrieren.
Nach Beendigung des Dienstleistungsverhältnisses zwischen Vertreter und Unternehmen ist der Vertreter nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden. Wettbewerbsverbote, die über das Vertragsende hinaus gehen, sind nur begrenzt zulässig und beschränken sich auf einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses und sehen eine entsprechende Entschädigung für den Handelsvertreter vor. Weiter ist es unzulässig, nach Beendigung der Zusammenarbeit unlauteren Wettbewerb zu betreiben. Dies kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Ein in einem Handelsvertretervertrag vereinbartes Verbot, welches jegliche Nutzung der Kundenanschriften, nach Vertragsbeendigung unterbindet, ist mit dem Gesetz des § 90 HGB nicht vereinbar. Vielmehr ist es Ausdruck der Wettbewerbsfreiheit, wenn der Handelsvertreter mit dem früher vertretenem Unternehmen in Konkurrenz tritt, und dies auch in Bezug auf dessen Kunden. Eine vertragliche Vereinbarung, welche das „Abwerben von Kunden“ verbietet, steht nicht im Einklang mit dem Transparenzgebot aus § 307 I S. 2 BGB.
Dagegen sind Klauseln zulässig, welche den Fall der Insolvenz des Handelsvertreters oder des Unternehmers regeln, da sie eine außerordentliche Kündigung begründen können.
III. Haftung
Neben den Pflichten der Parteien aus dem Handelsvertretervertrag ergeben sich auch einzelne Haftungsregelungen. Die sog. Delkredere-Haftung für die Verbindlichkeiten des Kunden, bei der der Handelsvertreter für die Erfüllung der fremden Kundenschuld eintritt, ist nur einschlägig, wenn die Voraussetzungen des § 86b HGB vorliegen und führt zu einer Delkredere-Provision.
IV. Besonderheit des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Wird der Handelsvertretervertrag beendet, steht dem Handelsvertreter gemäß § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch in Geldform zu. Dieser Anspruch beruht auf dem Gedanken, dass der Handelsvertreter unabhängig von Provisionen an dem Aufbau des Kundenstamms beteiligt werden soll. Der Ausgleichsanspruch beträgt höchstens die durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre und muss innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung geltend gemacht werden, gemäß §§ 89b ff. HGB. Bei eigenmächtiger Kündigung durch den Handelsvertreter ist ein solcher Anspruch ausgeschlossen.
Die konkrete Ermittlung des Ausgleichsanspruchs gestaltet sich in der Praxis oftmals schwierig, da sie eine Prognose über die Provisionsverluste auf der Grundlage der am Stichtag festgestellten Provisionen mit Neukunden erfordert. In der Regel wird ein Prognosezeitraum von zwei bis drei Jahren, bei langlebigen Wirtschaftsgütern sogar von fünf Jahren zugrunde gelegt.