Die klagende Käuferin erwarb mit notariellem Kaufvertrag mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen, gemischtgenutzten Gebäudekomplex aus den 1970er Jahren. Die Verkäuferin versicherte, dass keine Sonderumlagen oder außergewöhnliche Kosten zu erwarten seien und übergab der Käuferin Protokolle der letzten Eigentümerversammlungen. Kurz vor der Beurkundung stellte die Verkäuferin jedoch in einem dazu bestimmten Datenraum ein Protokoll ein, das eine Entscheidung der Eigentümer über eine Sonderumlage von 50 Millionen Euro für bauliche Maßnahmen beinhaltete. In der Folge wurde die Käuferin zur Zahlung einer Sonderumlage für Instandsetzungsmaßnahmen verpflichtet, was die Käuferin zur Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung veranlasste. Der BGH stellte fest, dass die Verkäuferin verpflichtet war, die Käuferin auch ungefragt über diese baulichen Maßnahmen aufzuklären, was zu einem Schadensersatzanspruch nach BGB führen kann.
Der BGH entschied, dass ein Verkäufer seine Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit einem Datenraum nur dann erfüllt, wenn er berechtigterweise davon ausgehen kann, dass der Käufer durch die Einsicht in die dort bereitgestellten Unterlagen von relevanten Informationen Kenntnis erlangen wird.
Der BGH stellte weiter fest, dass der Verkäufer zwar nicht verpflichtet ist, alle Informationen direkt zu übermitteln, aber er muss sicherstellen, dass der Käufer die Informationen leicht auffinden kann. Im konkreten Fall war es dem Verkäufer nicht gelungen, die Käuferin angemessen auf die neu hochgeladenen Dokumente im Datenraum hinzuweisen, weshalb die Aufklärungspflicht als nicht erfüllt angesehen wurde. Das Gericht betonte, dass die "Erwartbarkeit", dass der Käufer die Informationen nutzt, von verschiedenen Faktoren abhängt, wie z.B. der Organisation des Datenraums und der Due Diligence des Käufers.
Kritiker sehen durch die Entscheidung des BGH damit das Risiko für eine mangelhafte Due Diligence auf den Verkäufer verlagert. Sie betonen, dass es nicht die Aufgabe des Verkäufers sein sollte, zu beurteilen, ob der Käufer die richtigen Berater hat oder eine gründliche Prüfung durchführt. Dies könnte zu einer unberechtigten Risikoverlagerung und Unsicherheit führen, insbesondere im Unternehmenskauf, wo Käufer in der Regel die Verantwortung für ihre Due Diligence tragen.
In der Praxis bedeutet dies, dass Verkäufer verstärkt, darauf achten sollten, Informationen im Datenraum strukturiert, vollständig und frühzeitig bereitzustellen. Es wird empfohlen, nicht nur auf die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu achten, sondern auch darauf, dass der Käufer die Gelegenheit hat, diese Informationen rechtzeitig und einfach zu prüfen.